Regie: Jan Gehler
Bühne: Sabrina Rox
Dramaturgie: Jenny Flügge
Kostüm: Judith Stryczek
Mit: Sebastian Reck, Andreas Anke, Jannis Kuhnt, Özgür Platte, Julia Keiling, Flavius Hölzermann, Antje Trautmann, Jochen Fahr
Fotos@ Silke Winkler
Ein deutsches Trauerspiel von Friedrich Hebbel
Burgunderkönig Gunther begehrt die unbesiegbare Brunhild, Königin von Isenland. Als Drachentöter Siegfried erscheint, mit seinen Heldentaten prahlt und sich in Gunthers Schwester Kriemhild verliebt, verspricht Gunther ihm diese zur Frau, sollte er ihm im Gegenzug Brunhild verschaffen. Die Männer reisen nach Isenland, wo es Siegfried tatsächlich gelingt, Brunhild zu bezwingen und sie zu überzeugen, es sei Gunther gewesen. Sie muss dem König als seine Braut an den Hof folgen. Doch Hagen Tronje schickt Siegfried noch einmal zu Brunhild, um ihren Widerstand im Ehebett zu brechen. Als Kriemhild den Betrug erkennt, deckt sie ihn auf – mit verheerenden Konsequenzen: Brunhild fordert Siegfrieds Tod.
Eifersucht, Lüge, Verrat und Tod: Was mit dem Handel um zwei Frauen beginnt, führt direkt in die Katastrophe. Auf den ungesühnten Mord an Siegfried, der die Nibelungen für immer im Verbrechen vereint, folgt mit „Kriemhilds Rache“ ein Untergangsszenario, das in der Literatur seinesgleichen sucht. „Der Zweck des Trauerspiels war, den dramatischen Schatz des Nibelungen-Liedes für die reale Bühne flüssig zu machen“, schreibt Hebbel über seine Bearbeitung des Nibelungen-Stoffes, uraufgeführt 1861.
Jan Gehler war Hausregisseur am Staatsschauspiel Dresden, wo er die Uraufführung von TSCHICK inszenierte, mit der er 2012 zum Festival „Radikal jung“ nach München sowie zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen und für den renommierten Theaterpreis „Der Faust“ nominiert war. Weitere Arbeiten führten ihn u. a. ans Volkstheater München, Maxim Gorki Theater Berlin, Thalia Theater Hamburg, Düsseldorfer Schauspielhaus und Schauspiel Stuttgart.
Jan Gehlers Inszenierung: stark und doch behutsam, nachdenklich, aber ganz unpathetisch. Hinzu kommt eine gehörige Portion von subversivem Witz, die in gegenwärtige Befindlichkeiten unserer Gesellschaft hineinstichelt. Jan Gehler macht dabei aus einer Schwäche in Hebbels Stück eine Stärke. [Er] repolitisiert das entpolitisierte Stück: Das Privat-Psychologische kippt er teils ins Banale deutscher Biederkeit, teils hinterfragt er es als entfremdete Mittäterschaft.
Unbekümmert von dessen Vergangenheit und ästhetischer Tradition, spielt Gehler von Hebbels Dramen-Koloss den Kern ins Zeitgenössische. Er zeigt brüchige Männerkumpanei, in der ein Handschlag keine Garantie ist, wo der List die Hinterlist folgt, dem starren Denken der Verlust der Vernunft, somit das Verderben. Erzählt wird auch in Bildern, die die Phantasie beleben. Gehlers Interpretation setzt auf das Profil der Schauspieler. Ein Spiel zum Nachsinnen über gegenwärtige Gewalt
[Gehler] konzentriert sich ganz auf den tödlichen Zusammenprall von maßlos betrogenen Frauen und abgrundtief schurkischen Männern, und da seine Sympathie eindeutig Ersteren gilt, wird aus dem oft als National-Epos bezeichneten, am mittelhochdeutschen Vorbild entlanggeführten Tragödie ein Emanzipationsdrama. Diejenige die sich da unter fürchterlichen Begleitumständen emanzipiert, ist Kriemhild. [Julia] Keiling führt sie aufregend vor in einem Balanceakt zwischen vibrierendem Zorn und kaltem Kalkül mit dennoch stets durchschimmernder Menschlichkeit.